Kurt Schindler
Ein ehemaliger "Falke" erinnert sich
Kurt Schindler wurde 1923 in Prag geboren. Schon früh bekam er Kontakt zu den Falken, einer Sozialistischen Jugendorganisation. Mitglieder der Gruppe halfen politisch Verfolgten und Juden bei der Flucht aus dem Deutschen Reich. Die Organisation wurde 1942 verraten, es kam zu zahlreichen Verhaftungen, auch Kurt war davon betroffen. Gemeinsam mit drei weiteren Jugendlichen wurde Kurt Ende Mai 1942 in das Jugend-KZ Moringen eingewiesen.
Hier erwartete die Jugendlichen ein gleichförmiger Alltag, der vor allem von Zwangsarbeit geprägt war. Zunächst arbeitete Kurt in der Strickerei, dann unter Tage in der Heeresmunitionsanstalt (Muna) in Volpriehausen. Morgens kurz nach 5 Uhr war Wecken, zum Frühstück gab es ein Stück Brot mit Margarine, manchmal Marmelade. Die Häftlinge wurden mit dem LKW von Moringen nach Volpriehausen und abends wieder zurück gebracht.
Im Frühjahr 1944 nutzten er und ein Mithäftling namens Jupp die Fahrt von der Muna ins Lager, um in einem unbemerkten Moment vom LKW abzuspringen und zu fliehen. Auf zwei Fahrrädern gelangten sie bis an die österreichisch-schweizerische Grenze. Dann verließ sie das Glück. Sie wurden aufgegriffen und nach Moringen zurückgebracht.
„Der Empfang war hässlich“, erinnerte sich Kurt in einem Interview. Bei ihrer Ankunft im Jugend-KZ wurden sie mit Schlägen begrüßt. In Ketten gefesselt stieß man sie eine Treppe hinunter und sperrte sie in Dunkelzellen. Warmes Essen gab es nur jeden dritten Tag. Nach 14 Tagen wurden sie auf den Appellplatz geführt. Das ganze Lager war angetreten und musste ihrer Bestrafung beiwohnen. „Der Schläger war Blockführer Friedrich und noch ein anderer Blockführer, die haben uns die Schläge mit dem Stock gegeben,“ erzählt Kurt. „Ich habe geschrieen dabei, mir hat das wehgetan.“ Danach ging es wieder zurück in die Baracke. Ihnen wurde verboten mit den anderen Häftlingen zu sprechen, die unter keinen Umständen Einzelheiten von der Flucht erfahren durften.
Das Ende des Krieges nahte, die Truppen der Alliierten rückten langsam näher, und für Kurt bekam sein Leben von einem Tag auf den anderen eine völlig neue Wendung: „Plötzlich wurden wir ausgerufen, bekamen einen Wehrpass und unsere Zivilkleidung, und ab zum Militär.“ Ein Teil der Häftlinge des Jugend-KZ Moringen erhielt im Frühjahr 1945 die Einberufung in die Wehrmacht. Kurt wurde in die Strafdivision 999 eingezogen und musste dann an die Front. Nach einer schweren Verletzung geriet Kurt in englische Kriegsgefangenschaft.
Bis zu seinem Tod im Jahre 2009 besuchte Kurt immer wieder die KZ-Gedenkstätte Moringen, um mit Jugendlichen über die Zeit des Nationalsozialismus zu sprechen: „Ich kann nur bewundern, dass sich heut junge Menschen dafür interessieren, was mit uns jungen Menschen damals geschehen ist.“ Der Jugend galt seine Hoffnung. Für ihn war sie der Garant dafür, dass sich die Geschichte nicht wiederholen wird: „Diese jungen Menschen, die zu uns kommen und sich interessieren (...), die werden es nicht geschehen lassen.“
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