Doku Musik Theater "Swing heil!"
Das Doku Musik Theater „Swing heil!“ von Peter Tiefenbrunner erzählt die Geschichte der Verfolgung der Swing-Jugend im Nationalsozialismus. Das Stück beschreibt die musikalische Leidenschaft der Jugendlichen, Repression und Verfolgung und ihre Haft im Jugend-KZ Moringen.
An einem Nachmittag im Februar 1943 erreichte der 18-jährige Hamburger Günther Discher aufgrund eines Schutzhaftbefehls die Kleinstadt Moringen. Dieses Schicksal teilt er mit 16 anderen Jugendlichen aus Hamburg. Wie die anderen pflegte auch er etwas, das sich nicht mit Hitlerjugend und Volksgemeinschaft vereinbaren ließ: die Liebe zum Swing. Während Swing für die NS-Ideologie einen klaren Fall von „entarteter Musik“ darstellte, ist er für seine Anhänger in erster Linie Tanzmusik, Freizeitgestaltung und Ausdruck eines alternativen Lebensgefühls.
Mit „Swing-Heil“ begrüßten sich in den 1940er Jahren jene Jugendlichen, die einen anderen Stil als die HJ pflegten, die sich anders kleideten, andere Musik hörten und zu ihr tanzen wollten. Damit forderten sie den nationalsozialistischen Staat auf zwei Ebenen heraus, ohne sich dessen unbedingt bewusst zu sein. Zum einen passten sie sich nicht an das gängige Bild von Jugend im NS an, sondern favorisierten als jugendliche Subkultur einen alternativen Lebensentwurf, der öffentlich wahrnehmbar war und somit die Definitionsmacht des NS in Frage stellte. Zum anderen hörten sie eine Musik, die der Weltanschauung der Nationalsozialisten diametral entgegensteht und mit den Vorstellungen von Rassenlehre und Führertum nicht vereinbar ist. Sie galt als „entartet“, „zersetzend“ und „minderwertig“, war in ihren Augen „Juden- und Negermusik“.
Seit Ende 1936 bilden sich in vielen deutschen Großstädten Gruppen Jugendlicher, die sich Swingplatten kaufen. Während sich in Frankfurt oder Berlin auch Swingbands gründen, entwickelt sich in Hamburg eine rege Party- und Tanzszene, die sich trotz aller Repression durch NS-Gesetzgebung, HJ-Streifendienst, Denunziation und Gestapo hartnäckig hält. Ab 1939 erhält die Repression dann jedoch eine neue Qualität: Der Swing wird in Hamburg verboten. Die Streifen-HJ ist nun angehalten, Jazzveranstaltungen der Swings zu observieren, zu melden und auszuheben. So werden bei einer Tanzveranstaltung am 2. März 1940 in der Rothenbaumchaussee im Rahmen einer Razzia 408 Swings registriert. Im Oktober 1940 kommt es zu einer Verhaftungswelle, in deren Rahmen 63 Swings inhaftiert und brutal verhört werden. Doch wächst die Swing-Bewegung trotz aller Strafen und Einschränkungen weiter an.
Schließlich veranlasst Himmler am 26. Januar 1942, „mit den schärfsten Mitteln“ gegen die als Rädelsführer bekannten Swings vorzugehen. Konkret sollen diese mit einer KZ-Haft von zwei bis drei Jahren bestraft werden, um „ein gefährliches Umsichgreifen dieser anglophilen Tendenz in einer Zeit, in der Deutschland um seine Existenz kämpft, vermeiden [zu] können.“ So werden ab 1942 etwa 40 Swings aus Hamburg auf verschiedene Konzentrationslager verteilt, die Mädchen zum größten Teil in das KZ Uckermark oder KZ Ravensbrück und die Jungen in das KZ Moringen oder KZ Sachsenhausen, unter ihnen auch Günther Discher.
Mit seinem Totalitätsanspruch in allen gesellschaftlichen Bereichen duldete der NS keine andere Organisationsform von Jugendlichen neben HJ und BDM. Offensichtlich stellte die Swingbewegung für die NS-Erziehungspolitik ein ernsthaftes Hindernis zur Gleichschaltung der Jugendkultur dar. So werden Jugendliche, die das Tragen einer braunen Uniform und das Singen völkischer Lieder als stillos ablehnen, die eine diffuse Antihaltung gegen das politische System pflegen und die schließlich in den meisten Fällen zunächst keinen politischen Widerstand im Sinn haben, zu „Rassefeinden“ hochstilisiert.
Die massive Repression fordert diese Subkultur jedoch heraus und veranlasst sie dazu, neue Wege zu finden, ihre musikalische Vorliebe auszuleben. Aus der geteilten Swingbegeisterung erwuchs so eine Widerständigkeit gegen den NS, die sich in Verweigerung und Nichtmitmachen äußerte und in einigen Fällen zu einer Politisierung der betroffenen Jugendlichen führte. Gleichzeitig war die Liebe zur Musik ein Trost, der sie die Zeit der Haft in den KZ überstehen ließ.
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