"ASOZIAL" Ein Feature
Mit dem Begriff asozial oder gemeinschaftsfremd wurden in der NS-Zeit Menschen stigmatisiert, die nicht Teil der so genannten Volksgemeinschaft sein durften.
Der Film ASOZIAL betritt Neuland: Eine Spielhandlung wird von Expert:innen Interviews zur Bedeutung des Begriffs Asozial unterbrochen. Die Auseinandersetzung im Film erfolgt an Geschichte und Gegenwart unterschiedlicher totaler Institutionen, die über einen Zeitraum von bald 300 Jahren in der Stadt Moringen angesiedelt waren bzw. sind, darunter auch das Jugend-KZ Moringen. Die Gesprächspartner:innen im Film sind der medizinische Direktor des Maßregelvollzugszentrums, Dr. Dirk Hesse, eine psychologische Mitarbeiterin der Einrichtung, Christa Zieker, die Bürgermeisterin der Stadt Moringen, Heike Müller-Otte, und der Leiter der KZ-Gedenkstätte Moringen, Dr. Dietmar Sedlaczek. Mit der Spielhandlung im Milieu einer Gruppe heutiger Jugendlicher in Moringen gelingt es, die Problematik des auf Diffamierung und Exklusion ausgerichteten Begriffs „asozial“ zu zeigen. In seiner inhaltlichen Auseinandersetzung ist der Film anspruchsvoll und informativ und zugleich unterhaltend. Dazu tragen nicht zuletzt die Leistung der Schauspieler:innen aus der Region sowie die Professionalität des Films bei.
Zum historischen Hintergrund: Während der Zeit des Nationalsozialismus gerieten in Deutschland ganze Bevölkerungsgruppen ins Visier des NS-Verfolgungsapparats. Die Nationalsozialisten gingen von der Ideologie eines „gesunden Volkskörpers“ aus, die zu einer rassistisch begründeten Hierarchisierung und Selektion von Menschen führte. Dabei wurde ein vom nationalsozialistischen Normensystem abweichendes Verhalten als „asozial“ charakterisiert. Wohnungs- und Arbeitslose, Prostituierte, Homosexuelle, Sinti und Roma und gesellschaftlich unangepasste Jugendliche wurden als „asozial“ etikettiert, kriminalisiert, in Arbeitslagern, Arbeitshäusern, geschlossenen Anstalten interniert, in Konzentrationslager eingewiesen und anderen Zwangsmaßnahmen wie z. B. der Sterilisation unterworfen. Einer dieser Haftorte war das Jugend-KZ Moringen (1940-45).
Einbindung in den Unterricht
Der Film „Asozial“ kann auf vielfältige Weise gewinnbringend in den Unterricht zum Thema NS-Zeit eingebunden werden.
Zum einen bahnt der Film eine erste Annäherung an die noch heute, häufig auch in der Jugendsprache, verwendete Begrifflichkeit an. Er bietet damit nicht nur die generelle Möglichkeit, sich kritisch mit dem Begriff bzw. dessen Bedeutungsinhalt- und -spektrum auseinanderzusetzen, sondern hat außerdem das Potenzial, eigene Stereotype und Stereotypisierungstendenzen in Bezug auf verschiedene Personengruppen oder gesellschaftliche Schichten kritisch zu reflektieren.
Zum anderen bietet der Film eine perfekte Grundlage für einen Einstieg in das breite Themenfeld der Auswirkungen der NS-Herrschaft auf die deutsche Zivilgesellschaft, die nähere Betrachtung verschiedener Verfolgtengruppen in der NS-Zeit und damit auch der NS-Ideologie. Der Schwerpunkt liegt hierbei, wie der Titel des Films bereits verrät, auf der heterogenen Gruppe der sog. „Asozialen“, die aufgrund unangepassten Verhaltens vom NS-Staat als eine Gefährdung für die „Volksgemeinschaft“ wahrgenommen wurden und dadurch in den Fokus der NS-Behörden gerieten. In der Praxis wurde der Begriff sehr weit ausgelegt, zudem relativ beliebig und willkürlich angewandt. So konnte das wiederholte Schwänzen der Hitlerjugend, das Hören der „falschen“ Musik, nächtliche Treffen mit Gleichaltrigen etc. als asozial oder gemeinschaftsfremd diffamiert werden. Andere Bevölkerungsgruppen wie Sinti und Roma waren von NS-Behörden per se zu „Asozialen“ erklärt worden. Sie fielen der Verfolgung anheim, ohne gegen irgendeine Regel oder einen Grundsatz verstoßen haben zu müssen.
Der Film besticht durch die abwechslungsreiche Mischung von Interviewsequenzen und Spielszenen. In Interviewsequenzen mit Experten wird in der Zusammenschau der Begriff asozial inhaltlich definiert und ein Schlaglicht auf verschiedene Verfolgtengruppen geworfen. Über Spielszenen mit jugendlichen Laienschauspielerinnen und Laienschauspielern wird sowohl ein Bogen in die heutige Zeit geschlagen, als auch eine besondere Relevanz für Schülerinnen und Schüler geboten, als dass die Spielszenen an Alltagserfahrungen von Jugendlichen von Ausgrenzung und Gruppendynamiken festgemacht sind. Eine kritische Reflexion von Ausgrenzung und Formen der Ausgrenzung wird dadurch nicht nur in Bezug auf die Vergangenheit, sondern auch in Bezug auf die Gegenwart ermöglicht.
Aktuelles
Newsletter
Hier finden Sie den aktuellen Newsletter der KZ Gedenkstätte Moringen.